Der Tod ist ein Tabuthema. Ich halte es daher für wünschenswert, dass sich Menschen mit ihrem Tod beschäftigen. Doch die doppelte Widerspruchslösung geht weit darüber hinaus. Ihr erklärtes Ziel ist die Erhöhung der Zahl von Organspendern. Dabei habe ich großes Verständnis dafür, dass die etwa 10.000 Menschen, die zwischen Leben und Tod auf der Warteliste stehen, die doppelte Widerspruchslösung unterstützen. Nach reiflicher Überlegung befürworte ich bei dieser Gewissensentscheidung jedoch die Beibehaltung der erweiterten Zustimmungslösung. Den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz lehne ich deshalb ab.

Zur Begründung: Sterben ist ein Prozess. Wann der Sterbeprozess abgeschlossen ist, ist hoch umstritten. Ob Hirntote Tote oder Sterbende sind, wurde meines Erachtens nicht abschließend geklärt. Die Organentnahme bei hirntoten Menschen erfolgt je nach Auffassung also entweder bei Toten oder bei Sterbenden. Während bei einer Organentnahme von Toten der Sterbeprozess bereits abgeschlossen wäre, wäre er bei Sterbenden erst durch eine Organentnahme abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist es richtig und wichtig, dass die Organentnahme von der Zustimmung der hirntoten Menschen abhängt.

Die Befürworter und Gegner der doppelten Widerspruchslösung sind sich zumindest einig, dass die Organentnahme bei Hirntoten nicht gegen ihren Willen erfolgen darf. Allerdings unterstellen die Befürworter, dass die Organentnahme bei nicht erfolgtem Widerspruch mit oder zumindest nicht gegen den Willen von hirntoten Menschen geschieht. Doch bei dieser zutiefst ethischmoralischen Frage darf es keine Zustimmung durch Schweigen geben. Es gibt gute Gründe, warum sich Menschen zeitlebens nicht für oder gegen die Organspende entscheiden. Es ist möglich, dass Menschen diese Frage vor ihrem Ableben nicht abschließend beantworten konnten, obwohl sie nach einer Antwort suchten. Auch ich habe für mich auf diese Frage bisher noch keine abschließende Antwort gefunden.

Mit der doppelten Widerspruchslösung wird das Selbstbestimmungsrecht der Menschen ausgehebelt. Sie macht diejenigen, die der Organspende nicht widersprochen haben, zu potentiellen Organspendern. Ich lehne es ab, dass der Staat im Falle meines vorzeitigen Ablebens die Beantwortung dieser Frage für mich übernimmt. Der Mensch gehört nicht dem Staat, sondern sich selbst. Zudem ist der Staat erklärtermaßen befangen. Nicht der mögliche Wille der Hirntoten oder ihrer nächsten Familienangehörigen, sondern das Ziel der Erhöhung der Zahl von Organspendern steht im Vordergrund. Der gute Zweck heiligt jedoch nicht das schlechte Mittel.

Andreas Bleck MdB